Max Otte: Netzwerker für Verschwörungsgläubige (2024)

Aus der Serie: Störungsmelder

Max Otte geht als Kandidat der AfD in die Bundespräsidentenwahl. Hinter den Kulissen arbeitete er offenbar mit Geschäftsleuten aus dem Querdenken-Umfeld zusammen.

Von Dominik Lenze

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Max Otte hat noch nie ein Staatsamt bekleidet – nun kandidiert er gleich für das höchste im Lande. Der langjährige Wirtschaftsprofessor mit CDU-Parteibuch hat sich von der AfD als Kandidat für die Wahl des Bundespräsidenten nominieren lassen. Seitdem gibt er sich ergriffen, gnädig, präsidial: "Das Zusammenfügen, das Versöhnen, das Aufeinander-Zugehen" seien nun wichtiger denn je, sagt er in einer Videobotschaft. Menschen zusammenzubringen, das ist in der Tat eine Qualität des 57-Jährigen: Otte scheint ein gefragter Netzwerker für Verschwörungsideologen zu sein. Das legen zumindest E-Mails nahe, die dem Störungsmelder vorliegen.

Eine Gruppe von Geschäftsleuten aus dem Querdenker-Milieu hat im vergangenen Jahr eine Art Weiterbildungsangebot für Verschwörungsgläubige gegründet, die Hannah-Arendt-Akademie der Denker. Dozenten, die hier lehren sollen, leugnen Aids und den menschengemachten Klimawandel. Im Herbst vergangenen Jahres hatte die Hackergruppe Anonymous Hunderte Mails dieses Vereins erbeutet. Sie zeichnen nach, wie die Gruppe um den rechten Esoteriker Erich Hambach Angebote für Verschwörungsgläubige plant. Ein Name fällt in den Botschaften ein ums andere Mal: Max Otte.

In geschäftlicher Hinsicht haben Otte und Hambach etwas gemeinsam: Als sogenannte Crash-Propheten haben sie Bücher mit zweifelhaften Wirtschaftsprognosen und Anlagetipps verkauft. Doch Otte ist nicht nur Geschäftsmann und Fondsverwalter, sondern auch politischer Provokateur am rechten Rand. Im Mai 2021 war er zum Vorsitzenden der WerteUnion gewählt worden, nach Bekanntgabe seiner Kandidatur zum Bundespräsidenten räumte er das Amt. Der umstrittene Verein macht sich für ultrakonservative Positionen in CDU und CSU stark. Etwa zu dieser Zeit, das geht aus dem Mailverkehr hervor, begannen auch die Planungen für die Hannah-Arendt-Akademie.

YouTube-Alternative für Verschwörungsgläubige

Gegenüber der Zeitung Die Welt sagte Otte, er sei lediglich "einer von vielen Förderern" der Akademie. Die Mails legen allerdings nahe, dass er weitaus tiefer involviert war: So war er offenbar auch an der Auswahl des Namens beteiligt und vermittelte Kontakte zu potenziellen Investoren.

Auch an einem anderen Projekt schien Otte interessiert gewesen zu sein. Wie aus den Mails hervorgeht, plante die Gruppe eine Art YouTube-Alternative für Verschwörungsgläubige, intern Freedoline genannt, getragen durch ein Netzwerk von Stiftungen und Scheinfirmen. An den Planungen beteiligt war Michael Ballweg, Initiator der Querdenken-Bewegung. Etliche Mails der Gründer gingen in Kopie zudem an den Verschwörungsideologen Ken Jebsen. Allerdings fehlte es an Startkapital. Groß war die Freude, als Hambach den Kontakt zu einer "Investorenrunde" verkündete. Diese seien "überwiegend Patrioten" und "politisch eine Mischung aus CDU-Werteunion und AfD".

Reges Interesse an dem Freedoline-Projekt zeigte laut den Mails Peter Matschuk, Vorstandsmitglied der WerteUnion in Nordrhein-Westfalen. Zwischen Hambachs Team und Matschuk war demnach ein Treffen im November 2021 geplant: WerteUnion-Mann Matschuk habe Freedoline dort möglichen Fördererinnen vorstellen wollen. Auch Otte wurde bei dem Treffen erwartet: "Lieber Max, freu mich sehr, dich am Samstag mal wieder zu sehen", steht in einer Mail von Gründer Hambach an Matschuk und Otte. Die Mails legen nahe, dass sich Otte auch hier als Vermittler hervortat: Als das Treffen kurzfristig verschoben wurde, wollte der enttäuschte Hambach dies nochmals mit Otte besprechen.

Hambach bestätigt, dass es Treffen mit Investorinnen gegeben habe, doch diese hätten nichts mit der WerteUnion zu tun. Darüber hinaus möchte er nichts sagen. Auch Peter Matschuk gibt sich auf Nachfrage schweigsam. Der Landesverband gilt selbst in der erzkonservativen WerteUnion als Rechtsausleger – und soll Otte besonders nahestehen.

Plattform für Geschäftspraktiken

"Otte hat versucht, die WerteUnion zum politischen Arm der Querdenker auszubauen", sagt Ulrich Link, Vorstandsmitglied des Vereins in Sachsen. Schon vor seiner Zeit als WerteUnion-Chef hatte Otte die Querdenken-Bewegung als Redner und Sänger auf Demonstrationen besucht. Hinter Corona und einer angeblich drohenden Abschaffung des Bargeldes würden "finanzstarke Lobbys" stehen, sagte er im Mai 2020 in Stuttgart.

"Das ist ein Paradebeispiel dafür, wie verständliche Ängste durch absurde Verschwörungsmythen verknüpft und verstärkt werden", sagt Michael Blume, Antisemitismusbeauftragter des Landes Baden-Württemberg. "In Verschwörungsglauben wird man selten hineingeboren, man rutscht dahin ab. Und Max Otte, das muss ich so klar sagen, hat an der Querdenken-Rutschbahn mitgebaut." Offenbar nicht ohne Eigennutz: Seine Produkte bewirbt Otte mit Vorliebe in sogenannten alternativen Medien, denen der YouTube-Klon Freedoline als Plattform dienen sollte. Laut Blume gehören bestimmte Geschäftspraktiken und Verschwörungsglauben zusammen: "Ich wünsche mir, dass wir nach dieser Pandemie die gefährlichen Geschäftsmodelle von Verschwörungsunternehmern endlich begreifen und zu unterbinden lernen."

Zu seinen Verstrickungen mit der Gruppe um Esoteriker Hambach möchte sich Otte gegenüber dem Störungsmelder nicht äußern. Auf Twitter indes beklagt er sich, dass Kritiker ihn wegen der Kandidatur für das höchste Amt im Staate "schwer beleidigt" hätten. Medien gegenüber teilte er zudem mit, nach seiner Kandidatur werde er Abschied nehmen von der "parteipolitischen Bühne". Über künftige Projekte mit Verschwörungsideologen sagte er nichts.

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